von Susanne Strasser
Wenn ich durchs Netz surfe, finde ich immer wieder Stellungnahmen, die unhaltbare Kritik an der gluten- und kaseinfreien Ernährung enthalten. Deshalb möchte ich zu diesen Vorwürfen Stellung nehmen und die in sich oft widersprüchlichen Gerüchte und Unwahrheiten richtigstellen bzw. unklare Sachverhalte klären.
Vorwurf: Eltern quälen ihre Kinder mit einer gluten- und kaseinfreien Diät
Wer es schafft, seine Kinder mit gluten- und kaseinfreien Lebensmitteln zu „quälen“, quält seine Kinder wahrscheinlich auch in allen anderen Lebensbereichen. Das sind dann Eltern, die es offenbar nicht schaffen, ihren Kindern ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Die Gestaltung der Diät obliegt der Kreativität und des Einfühlungsvermögens der Person, die kocht.
Vorwurf: Autismus mit Diät „heilen“ geht nicht
Stimmt! Autismus kann man nicht heilen, weil es keine Krankheit ist. Autismus ist eine Daseinsform, die wie jede andere auch, ihre Berechtigung hat und nicht „weggemacht“ werden muss. Es gibt aber einige Symptome, die für die Betroffenen und ihr Umfeld eine große Belastung darstellen, wie z.B. Schlaflosigkeit. Und Eltern sind keine schlechten Eltern, wenn sie unter der Schlaflosigkeit ihrer Kinder leiden. Wer, so wie ich, 11 Jahre lang, jede Nacht max. 2-4 Stunden schlafen durfte, weiß wovon ich spreche. Es ist also durchaus legitim, eine Lösung für solche Begleitsymptome zu finden.
Ich verwende mit Absicht den Ausdruck Begleitsymptom, weil Schlafstörung, Unruhe, Stuhlauffälligkeiten, Bauchschmerzen, Konzentrationsprobleme etc. keine Autismus-Symptome, sondern Komorbiditäten sind, d.h. sie treten häufig gemeinsam mit Autismus auf, sind aber keine Symptome von Autismus. Nichts gegen diese Begleiterkrankungen zu unternehmen, hieße einem kranken Menschen nicht zu helfen. Wenn Ihr neurotypisches Kind nicht schlafen kann, Durchfall hat und sich in der Schule nicht konzentrieren kann werden Sie auch versuchen, der Ursache auf den Grund zu gehen, und etwas dagegen zu unternehmen
Vorwurf: Bei einer gluten- und kaseinfreien Ernährung darf man fast nichts mehr essen
Man darf den Großteil aller Lebensmittel uneingeschränkt zu sich nehmen: Obst, Gemüse, Reis, Kartoffel, Fleisch, Geflügel und Fisch, Nüsse, Hülsenfrüchte, Eier etc. (mehr darüber finden Sie auf www.autismus-diaet.at). Auch das Angebot an Süßigkeiten und Speiseeis ist spätestens seit dem Trend zur veganen Ernährung unglaublich groß geworden. Wer da nicht das passende für sich und seine Lieben findet, der hat sich bisher offensichtlich ausschließlich von Weizen und Milch ernährt und leidet daher wahrscheinlich bereits unter Mangelerscheinungen.
Vorwurf: Die Durchführung der gluten- und kaseinfreien Diät ist zu aufwendig
Selbstverständlich ist die tägliche frische Zubereitung von Speisen aufwendiger als das Einkaufen von Fertiggerichten oder das Essen in Kantinen. Allerdings ist die mögliche Verbesserung der Lebensqualität durch die Ernährungsumstellung die Mühe durchaus wert. Wenn es dem Betroffenen gut geht, profitiert davon die ganze Familie.
Vorwurf: Die gluten- und kaseinfreie Ernährung ist ungesund
Wenn man sich gluten- und kaseinfrei ernähren möchte, kann man nicht mehr auf alle Fertigprodukte im Supermarkt zurückgreifen. Nein, man muss schon selber kochen: mit frischen Zutaten. Dabei kann man auch selbst bestimmen, ob man Zutaten in Bioqualität wählt oder wie viel Zucker man verwendet. Chemische Zusatzstoffe wie Konservierungsmittel oder Aromen fallen bei frischer Zubereitung ebenfalls weg.
Vorwurf: Die gluten- und kaseinfreie Ernährung führt zu Mangelerscheinungen
In Weizen (Roggen, Gerste und Dinkel) oder tierischer Milch sind keine Stoffe enthalten, die nicht auch in anderen Lebensmitteln enthalten wären. Also wie soll dann eine ausgewogene Ernährung ohne Milch und Weizen zu Mangelerscheinungen führen?
Vorwurf: Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise für die Wirksamkeit der gluten- und kaseinfreien Ernährung
Was sind Beweise? Studien? Ja davon gibt es genug. Es gibt solche, die sagen, dass die Diät nichts bringt, es gibt solche die zeigen, dass sie sehr wohl was bringt. Wer Studien richtig lesen kann, wird wissen, dass sie allesamt nicht wirklich aussagekräftig sind. Weder jene pro noch jene kontra Diät entsprechen den wissenschaftlichen Gütekriterien. Das liegt einerseits an der Problematik der Verfälschbarkeit der Studien durch unwissenschaftliche Interessen, aber auch an der Tatsache, dass der Einsatz einer Diät nicht valide gemessen werden kann. Um valide Ergebnisse zu erhalten, müsste man eine placebokontrollierte Doppelblindstudie durchführen, d.h. man braucht eine Experimentalgruppe, die gluten- und kaseinfrei ernährt wird und eine Kontrollgruppe, die „normal“ ernährt wird. Beide Gruppen dürfen aber nicht wissen, zu welcher Gruppe sie gehören, also welche Ernährung sie über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten erhalten. Ebenso darf die Person, die die Speisen zubereitet nicht wissen, was sie kocht. Sie erkennen sicher die unmögliche Durchführbarkeit einer solchen Studie. Alle anderen Arten von Studien lassen immer Platz für Kritik an der Objektivität, der Reliabilität und der Gültigkeit der Ergebnisse. Je nach Interessen werden die Ergebnisse dann interpretiert.Der beste Beweis ist der Betroffene selbst und sein Umfeld. Einerseits fühlen sich Eltern und Betroffene (zu Recht) oft unterschätzt und übergangen, was ihre eigenen Belange und Interessen angeht, andererseits trauen sie sich aber offensichtlich nicht zu, selbst ein Urteil zu fällen, ob eine Ernährungsumstellung ihnen oder den Menschen für die sie kochen hilft. Da braucht es dann auf einmal Studien, die ihnen sagen, was sie zu denken haben?
Vorwurf: Eltern bilden sich die Verbesserungen in der Symptomatik ihrer Kinder nur ein
Hunderttausende Eltern weltweit kochen täglich gluten- und kaseinfrei, weil sie sich einbilden, dass ihre Kinder dann endlich schlafen können, ihr Stuhlgang sich normalisiert hat und ihre Wahrnehmungsbesonderheiten, unter denen sie offensichtlich gelitten haben, zurückgegangen sind? Diese Dinge kann man sich nicht einbilden, Schlaf und Stuhlgang sind nicht subjektiv. Es ist ein Widerspruch in sich selbst, zu sagen, die Diät sei zu aufwendig und gleichzeitig Eltern zu unterstellen, sie würden diesen Aufwand ohne Erfolg betreiben.
Vorwurf: MMS und Diäten schaden …
MMS und gluten- und kaseinfreie Ernährung haben nichts miteinander zu tun! MMS (Miracle Mineral Supplement) wird als Wunderheilmittel gegen Krankheiten aller Art verkauft, es handelt sich dabei um Chlorbleiche (hochdosiertes Natriumchlorit) und ist durchaus nicht ungefährlich. Auch ich bin gegen MMS und distanziere mich von derartigen Methoden. Nur weil einige Befürworter von MMS vormals auch die gluten- und kaseinfreie Ernährung versucht haben, heißt das noch nicht, dass es das gleiche ist. Wer alles in einen Topf wirft und nicht differenzieren kann, zeigt deutlich seine Unwissenheit auf dem Gebiet, das er glaubt, kritisieren zu können.
© Susanne Strasser
Na, wer ist denn da nicht informiert? MMS-Nutzer haben nicht ‚vormals auch gluten- und kaseinfreie Ernährung versucht‘ sondern gluten- und kaseinfreie Ernährung ist ein inhärenter Bestandteil der MMS-Protokolle u.a. von Keri Rivera. Gluten- und kaseinfreie Ernährung ist auch der Bestandteil anderer Quack-Behandlungen von Autismus wie dem DAN!-Konzept das u.a. auf Chelat-Therapie setzt bei der es zu mehreren Todesfällen kam. Gluten- und kaseinfreie Diät bei Autismus ist keine Idee, die isoliert entstand und nur von ein paar wenigen bösen Menschen missbraucht wurde, sondern sie stammt aus der quackdurchseuchten Biomedizinecke und ist und bleibt eines: Quack.
Ach und weils gerade passt. Eine neue dieser vollkommen unaussagekräftigen Studien, die wohl nach Ihrer Ansicht ohnehin nur als Beschäftigungstherapie für Wissenschaftler durchgeführt werden: http://www.wsj.com/articles/gluten-free-diet-has-no-benefit-for-children-with-autism-study-finds-1442244486
„perhaps the highest-quality evidence to date that eliminating proteins found in wheat and dairy doesn’t improve autism symptoms“
LikeLike
Hallo Mela,
vielen Dank für Deine Stellungnahme. Und danke an Sabine, dass sie euch allen meinen Artikel weitergeleitet hat.
Leider hast Du mir nur einen Artikel, aber keine Studie geschickt. Aber dann nehme ich halt zu diesem Artikel, dem ja die wissenschaftliche Grundlage fehlt, Stellung:
Gleich aufgefallen ist mir, dass der Artikel auch davon spricht, dass die Wirksamkeit von ABA nachgewiesen ist. Von ABA und anderen Formen der Verhaltenstherapie in Zusammenhang mit Autismus distanziere ich mich ganz deutlich.
Die in dem Artikel erwähnte Studie wurde an 14 (!) Kindern durchgeführt, was keineswegs repräsentativ ist. Prof. Linda Bandini, zitiert im gleichen Artikel, meint dass eine so kleine Studie nicht aussagt, dass die Diät anderen nicht helfen kann. Selbst Dr. Hyman, die Autorin der Studie sagt, dass sie Eltern, die die Ernährungsumstellung versuchen wollen, unterstützt. Auch wird in dem Artikel erwähnt, dass diätetische Maßnahmen nicht schädlich sind. Hast Du den Artikel überhaupt richtig gelesen?
Leider muss ich dich auch korrigieren. Die Forschung und praktische Umsetzung der gluten- und kaseinfreien Ernährung hat ihre Ursprünge bereits vor ca. 30 Jahren in Europa. So hat Dr. Kalle Reichelt, Leiter des Reichshospitals in Oslo, diese Forschungen angestrebt. Da gab es noch keine Kerri Rivera und dergleichen. Wer dann auf den Zug aufspringt und „Quack“ (Mela, 2015) drausmacht, liegt weder in der Verantwortung von Dr. Reichelt noch in meiner. Es gibt in jeder Ecke Menschen, die eine gute Sache zunichte machen, weil sie sie missverstehen. Ich habe eher das Gefühl, dass Du auf dem Gebiet nicht so wirklich informiert bist. Ich arbeite jetzt seit 25 Jahren auf diesem Gebiet und kenne „die Seriösen und Unseriösen“ in der Branche. Ich selbst bin äußerst kritisch und vertraue wirklich nur einer Handvoll Wissenschaftlern. Kerri Rivera gehört da nicht dazu. Und auch die Dan-Philosophie muss an mancher Stelle dringend überdacht werden. Aber was die Ernährungsumstellung betrifft kann ich ruhigen Gewissens sagen, dass sie sehr vielen Menschen mit autistischer Wahrnehmung geholfen hat. Auch meiner Tochter. Und ich hoffe doch sehr, dass du meiner Tochter nicht die Kompetenz für die Beurteilung ihrer eigenen Lebensqualität abstreitest.
Viele Grüße
LikeLike